Beratungshilfe

Guten Tag, ich möchte gerne einen Antrag auf Beratungshilfe abgeben und am liebsten mit jemandem sprechen, der mir gleich sagen kann, ob etwas fehlt.“

„Den können Sie auch mir geben“, sagte die Dame in Uniform.

„Ich weiß aber nicht, ob ich alle Unterlagen beigefügt habe, die benötigt werden.“

„Dann müsste ich mal in Ihre Tasche sehen.“

„Meine Tasche?“

„Ja, ich muss sehen, was da drin ist.“

Ich muss meine Tasche auspacken, die Beamtin hineinsehen lassen, meine Jacken und Hosentaschen leeren und werde mit einem Metalldetektor gefilzt. Das Amtsgericht ist gesichert wie das Gate am Flughafen.

Gehen Sie bitte gleich links in Zimmer 104“, sagt die Dame und wendet sich dem nächsten Besucher zu.

 

Zimmer 104 ist durch einen Tresen in der Mitte geteilt, dahinter eine Dame, die mich fragend ansieht.

„Guten Tag, ich möchte einen Antrag auf Beratungshilfe abgeben, weiß nicht, ob er vollständig ist und würde gerne wissen, ob ich Beratung gleich in Anspruch nehmen kann.“

„Ich kann Ihren Antrag auf Vollständigkeit prüfen, aber zu der Bearbeitung keine Auskunft geben. Das macht eine Kollegin.“

Ich übergebe Ihr meinen Antrag.

„Worum geht es?“, fragt sie.

„Mein Vermieter hat mir gekündigt. Ich denke, dass dies nicht rechtmäßig ist und möchte mich darüber beraten lassen, ob ich etwas dagegen tun kann.“

„Haben Sie die Kündigung beigelegt? Und den Mietvertrag?“

„Nein, ich wusste nicht, dass das notwendig ist. Die inhaltliche Beratung soll doch durch einen Anwalt erfolgen. Aber ich habe beides im Original dabei.“

„Da hinten ist ein Münzkopierer“, sagt die Dame.

Während ich die Unterlagen aus meiner Mappe heraussuche, fragt sie weiter:

„Was haben Sie denn bisher schon unternommen?“

„Wie meinen Sie das?“, fragte ich zurück.

„Na, haben Sie schon auf die Kündigung reagiert? Das möchte unsere Sachbearbeiterin wissen. Sie können ja nicht einfach zum Anwalt gehen und erwarten, dass der alles für sie regelt und wir die Kosten übernehmen.“

„Ich weiß doch gar nicht, was ich unternehmen kann, deshalb möchte ich mich ja beraten lassen.“

„Sie müssen schon vorher versucht haben, den Konflikt beizulegen, das würden Sie doch sicherlich auch tun, wenn Sie den Anwalt selbst bezahlen müssten.“

„Es haben bereits im Vorwege zu dieser Kündigung ganz viele Gespräche mit dem Vermieter stattgefunden, auch im Beisein von Mitbewohnern, um zu vermitteln. Er hat alle Vermittlungsvorschläge abgelehnt und hat mir gestern die Kündigung überreichen lassen. Wenn ich es selbst bezahlen könnte, würde ich mich jetzt von einem Anwalt beraten lassen.“

„Dann schreiben Sie das auf die Rückseite. Haben Sie Kopien der Kontoauszüge dabei? Frau Soundso benötigt die Auszüge der letzten sechs Wochen.“

„Ja, habe ich, hier sind die Kontoauszüge und dass die aktuellen Kontostände von gestern.“

„Bescheinigungen über Einkommen und Vermögen?“

„Ich habe einen Hartz-IV-Bescheid, hier bitte.“

Die Dame zieht sich an ihren Schreibtisch hinter dem Tresen zurück, ihre Prüfung ist erst einmal beendet. Ich mache mich an die Arbeit, stehe am Tresen und schreibe die Vorgeschichte zu der Kündigung in Stichworten auf die Rückseite. Sie wuselt ein wenig am Schreibtisch herum, sortiert etwas, druckt etwas aus…

„Brauchen Sie noch lange?“, fragt sie.

„Eine Minute“, sage ich.

„Wir haben draußen auf dem Flur Tische, wenn Sie noch länger brauchen, muss ich Sie bitten, hinauszugehen.“

„Ich bin beim letzten Satz“, sage ich.

Sie zieht sich wieder hinter ihren PC zurück. Ich mache die restlichen nötigen Kopien und sortiere alles zusammen, um es Ihr zu übergeben.

„Können Sie mir sagen, wann ich mit einem Bescheid rechnen kann? Ich weiß es zwar nicht, aber ich muss bestimmt irgendwelche Fristen einhalten.“

„Nein, solche Auskünfte geben wir grundsätzlich nicht. Und ich weiß nicht, was Frau Soundso alles zu tun hat. Sie sind ja hier im Grundbuchamt und sie sehen ja, was hier los ist.“

Nun, ehrlich gesagt ist hier gar nicht los, es ist kein anderer Kunde da, es gab keinen Anruf, keine Mails, nichts. Der Raum sieht halt aus, wie eine Annahmestelle für was auch immer. Ich wurde hierher geschickt und konnte nirgends erkennen, dass ich im Grundbuchamt bin.
Ich fragte mich langsam, ob Kurt Felix mit der versteckten Kamera gleich hinter dem Tresen auftaucht oder ob das hier eine Probe für eine neue Satireserie „Das Amt“ ist.

„Vielen Dank“, sagte ich nur und ging mit dem Gedanken daran, wie schwer es doch ist, als Hilfeempfänger sein Recht zu bekommen.

Sie können aber schon jetzt zu einem Anwalt gehen“, sagte sie immerhin noch, „die sind verpflichtet, Sie zumindest zu beraten.

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