Die Tonergate-Affäre

Über den Verlust des kritischen Verstandes bei Wissenschaftlern“ schrieben die Nachdenkseiten am 18.04.2017.
Die gründliche Erforschung unserer Welt und die anschließende Einordnung der Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, ist die Aufgabe von Wissenschaft. Wenn […] wissenschaftlich fundierte Tatsachen geleugnet, relativiert oder lediglich ‚alternativen Fakten‘ als gleichwertig gegenübergestellt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen, wird jedem konstruktiven Dialog die Basis entzogen“, begründen die Initiatoren des von den Nachdenkseiten angesprochenen ‚Science March Germany‘ ihre Initiative.
Doch was ist, wenn Wissenschaft im Dienste von Interessenvertretern selbst fundierte Tatsachen leugnet?

Ich habe bereits in verschiedenen Artikeln dargestellt, dass meine Grunderkrankung, die immunologische Unverträglichkeit gegen Tonerstaub, als solche nicht anerkannt wird. Ich werde entgegen aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse – wie viele tausend andere Umweltkranke auch – als psychisch krank dargestellt.

Mittlerweile gibt es international über 100 Studien über gesundheitsschädigende Wirkungen von Emissionen aus Laserdruckern und Kopiergeräten. Die von Betroffenen gegründete Stiftung nano-Control hat die wichtigsten Studien zusammengestellt.
Sehr wichtig sind dabei die jüngsten Studien der Harvard Universität in Boston und des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg im Breisgau (IuK Freiburg).

Die Forschungen der Harvard Universität belegen, dass Laserdrucker und Kopiergeräte neben flüchtigen organischen Verbindungen vor allem Kohlenstoff und Schwermetalle in Form von Nanopartikeln emittieren. Die Inhaltsstoffe des Tonerstaubs sind erwiesenermaßen hoch giftig und sogar gentoxisch. Das enorme Risiko von Nanopartikeln besteht darin, dass sie sich kaum wirksam filtern lassen und im menschlichen Körper Zellmembranen durchdringen. Die giftigen Inhaltsstoffe lagern sich also in menschlichen Zellen an. Es wurde nachgewiesen, dass Nanopartikel aus Laserdruckern Lungenzellen nachhaltig schädigen, also zu irreversiblen Lungenerkrankungen führen.

Die Studie des IuK-Freiburg sollte Anfang des Jahres 2016 veröffentlicht werden. Ich hatte Kontakt zu Probanden der Studie und die Gelegenheit, eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu sehen.
Diese Studie untersucht, wie Tonerstaubemissionen auf den Körper wirken, welche Mechanismen sie im Körper auslösen. Sie belegt, dass Emissionen aus Laserdruckern zu Entzündungen und immunologischen Erkrankungen wie der bei mir diagnostizierten immunologischen Unverträglichkeitsreaktion oder Chemikaliensensitivität führen.
Neu ist die Erkenntnis, dass Entzündungsreaktionen nicht nur bei sensibilisierten Menschen festgestellt wurden, sondern auch bei gesunden Menschen. Dies bedeutet, dass die Emissionen grundsätzlich für alle Menschen gesundheitsschädlich sind. Sensibilisierte Menschen sind dennoch besonders betroffen.
Weiterhin zeigt die Studie auf, mit welchen diagnostischen Methoden sich diese Erkrankungen nachweisen lassen.

Eigentlich hatte ich mich entschieden, um die Frage organischer oder psychischer Ursachen meiner Erkrankung nicht mehr zu kämpfen. Als ich jedoch von der bevorstehenden Veröffentlichung der Freiburger Studie erfuhr, schlug ich im Januar 2016 in meinem Sozialgerichtsverfahren gegen die Rentenversicherung vor, neben dem sozialpsychiatrischen Gutachten auch ein umweltmedizinisches Gutachten beim Institut für Umweltmedizin der Universität Freiburg einzuholen.

Leiter des IuK-Freiburg und der aktuellen Toner-Studie ist Professor für Umweltmedizin und Toxikologe. Er hat an verschiedenen Universitäten gelehrt, war sechs Jahre Leiter des Instituts für Innenraum- und Umwelttoxikologie an der Universität Gießen, ab 2007 Leiter des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene an der Universität Freiburg und Vorsitzender der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes.
Bereits an der Universität Gießen hat er erste Studien zu Emissionen aus Laserdruckern durchgeführt, die Gesundheitsgefahren belegen.

Mein Vorschlag ein umweltmedizinisches Gutachten einzuholen, wurde vom Gericht und der Rentenversicherung schlicht ignoriert. Stattdessen wurde ich (wie hier schon mehrfach erwähnt) zur Begutachtung für sechs Wochen in eine psychiatrische Einrichtung nach Saarbrücken geschickt.

Ich wollte nicht aufgeben und dachte mir, in Saarbrücken bin ich schon einmal dichter an Freiburg. Ich erkundigte mich, direkt bei, Institusleiter, ob und zu welchen Bedingungen er eine Diagnose meiner Umwelterkrankung prüfen könne.
Die Antwort war: Grundsätzlich kein Problem, ich bräuchte eine Überweisung des Hausarztes, müsste die Untersuchung allerdings dennoch selbst bezahlen, da sie von der Krankenversicherung nicht übernommen wird. Die Kosten lägen bei rund 500 €. Ich müsste nur für einen Tag kommen und könne einen Termin direkt mit dem Leiter der Instituts-Ambulanz vereinbaren.
Die 500 € hatte ich noch auf dem Sparbuch, also sagte ich: „Mache ich, ich melde mich sobald ich weiß, wann ich in Saarbrücken sein werde.“

Als ich dann Ende Oktober 2016 den Aufnahmetermin aus Saarbrücken bekam, rief ich sogleich in Freiburg an. Der Leiter der Ambulanz klang plötzlich ganz anders:
Man könne die Untersuchung natürlich durchführen, ich solle aber nicht zu viel erwarten, bisher habe man eigentlich kaum positive Diagnosen stellen können, es wäre meine Entscheidung, aber man würde mir von der Untersuchung abraten, es würde nichts bringen…
Ja, aber Prof. Dr. … hat mir doch etwas anderes gesagt, kann ich mit ihm…
Der Professor ist nicht mehr zu sprechen.“

Später erkundigte ich mich bei einer Probandin der Studie: Andere Betroffene hätten die gleiche Erfahrung gemacht wie ich, sagte sie. Das IuK-Freiburg sei von Veränderungen bedroht, der Institutsleiter all seiner Aufgaben enthoben.

Ich recherchierte selbst:

Das IuK-Freiburg hat laut seiner eigenen Internetseite eine neue kommissarische Leitung. Der bisherige Leiter wurde ein paar Monate noch als Leiter einer Abteilung innerhalb des Instituts geführt. Mittlerweile taucht er auf der Internetseite gar nicht mehr auf.

Den Vorsitz der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes hat nun der Leiter des Fachbereichs Materialanalytik und Innenluftchemie beim Fraunhofer-Institut für Holzforschung (WKI) bei der Universität Braunschweig.
Das WKI hat im Jahr 2011 eine Studie veröffentlicht, die vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien – BITKOM in Auftrag gegeben wurde. Ziele dieser Studie waren laut Internetseite des WKI die Entwicklung eines standardisierten Messverfahrens für die Bestimmung von Fein- und Ultrafeinpartikeln, die Untersuchung einer größeren Anzahl von Tisch- und Standgeräten auf Partikelfreisetzungen sowie die Charakterisierung und Identifizierung der beim Betrieb von Laserdruckern freigesetzten Partikel. In der Zusammenfassung der Studie ist unter anderem zu lesen: „Es wurden keine Hinweise dafür gefunden, dass es sich bei den Ultrafeinpartikeln um feste Bestandteile handelt, die z.B. Carbon-Black, Eisen oder andere Metalle enthalten. […] Allen untersuchten Geräten ist gemeinsam, dass nur sehr geringe Mengen an Feinstaubpartikeln feststellbar waren.“

Der Institutsleiter des IuK-Freiburg hatte noch als Mitarbeiter der Universität Gießen bereits in einer Studie aus dem Jahr 2006 über einen Zeitraum von 10 Monaten 63 Büroräume in 9 Bürogebäuden untersucht. Dabei wurden Feinstaubkonzentrationen ohne Arbeitsbetrieb, im normalen Arbeitsbetrieb und in vollem Druckbetrieb untersucht.
Insgesamt konnte ein signifikanter Anstieg der mittleren Partikelkonzentrationen vom Ruhebetrieb zum normalen Arbeitsbetrieb und ein weiterer Anstieg vom Arbeitsbetrieb zum vollen Druckbetrieb festgestellt werden. Die Inhaltsstoffe dieser Feinstäube wurden in dieser Studie noch nicht untersucht. Doch die Studie fasst zusammen: „Als Befund ist die beobachtete Staub- und Feinstaubbelastung der Büroraumluft hervorzuheben, die beim Betrieb von Laserdruckern oder Kopiergeräten häufig deutlich zunimmt und die schon unter quantitativen Aspekten als hygienisch, wenn nicht gar gesundheitlich bedenklich zu werten ist.“

Im Juli 2010 veröffentlichte das IuK-Freiburg eine Studie, die zu dem Ergebnis kam: „Alle Toner enthielten bemerkenswerte Mengen an Carbon Black und Magnetit als Farbstoff sowie kleine Mengen PAK ́s. Die Toner lösten DNA-Schäden […] aus. Aufgrund der chemischen und physikalischen Untersuchungsergebnisse wird geschlossen, dass Metalle und Metalloxide als Komponenten des Magnetit oder PAKs, als Komponenten des Carbon Black für die gentoxischen Effekte verantwortlich sind.“

Seit dem Jahr 2013 hat die Harvard-Universität diverse Studien veröffentlicht, die verschiedenste Aspekte der Gesundheitsgefahren durch Laserdrucker und Kopiergeräte untersuchen. In ihrer Gesamtheit bestätigen sie, dass die Emissionen aus diesen Geräten zu nachhaltigen Schädigungen der Lunge führen.

Die Stiftung nano-Control schreibt hierzu: „Lange wurde vom WKI Braunschweig der Eindruck erweckt, es werde kein Toner emittiert, was oft schon mit bloßem Auge an Geräten, Kartuschen, im Umfeld oder an verschmutzen Filtern sichtbar wird. Schon die Tonerpilotstudie stellte 2006 fest, dass 1-10 %  [der Emissionen] feste Partikel sind […]. […] Wissenschaftler des Harvard Center konnten 2014 und 2015 eindeutig zeigen, dass Laserdrucker und Kopierer sehr wohl relevante Mengen metallischer und Kohlenstoff-Nanopartikel emittieren, die eindeutig aus den Tonern stammen. Dies bestätigt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und die Pilotstudie des IUK Freiburg. […] Zudem werden auch PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) emittiert, wie das IUK Freiburg und polnische Forscher feststellten.“

Der Branchenverband BITKOM bedauert“ in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2015, „dass die Diskussion häufig von populärwissenschaftlicher Berichterstattung sowie vereinzelt unseriösen Spekulationen durchsetzt ist. […] Der Verband sieht keine belastbaren Hinweise auf potenzielle Gesundheitsgefahren durch Laserdruck- und Kopiersysteme bei bestimmungsgemäßem Gebrauch*.“

So so, die vielen internationalen Studien sind also „populärwissenschaftliche Berichte“. Unterliegt jetzt auch die Wissenschaft dem Vorwurf populistisch zu sein? Ist es reiner Populismus, was das IuK-Freiburg oder die Harvard-Universität veröffentlichen? Oder sind dies ‚alternative Fakten‘?

Von außen ist nicht klar ersichtlich, was sich tatsächlich hinter den Kulissen ereignet hat. Klar ist:
Der wissenschaftliche Vertreter einer von der Industrie finanzierten und mittlerweile vielfach wiederlegten Studie hat den Vorsitz einer entscheidenden Kommission beim Umweltbundesamt übernommen und der bisherige Vorsitzende, einer der profiliertesten Wissenschaftler Deutschlands auf dem betreffenden Gebiet, dessen Ergebnisse im Einklang mit internationalen Studien stehen, wurde kurz vor Veröffentlichung einer aktuellen, brisanten Studie diskreditiert und seiner Aufgaben enthoben. Das von ihm bisher geleitete Institut wird umstrukturiert.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Was denken Sie?
Verschwörungstheorie? Nein, die hier dargestellten Ereignisse sind sichtbar und belegt…

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