„Wir können unsere Abläufe nicht an Ihre Erkrankung anpassen“

Nächste Station ‚Elektro-Bereich‘, schon beim Betreten des Raumes fällt mir auf, dass die Luft im Raum mit irgendetwas belastet ist. Der Drucker des Anleiters steht relativ offen und wird viel genutzt. Soll ich jetzt gleich schon wieder sagen „das geht nicht, ich kann hier nicht arbeiten“? Wird man das ernst nehmen? Wird man es verstehen? Wird man mich wieder als Querulanten einstufen? Ist der Tonerstaub hier wirklich alles oder liegen noch andere Belastungen vor?

Wir bekommen Lötarbeiten, sollen nach Muster Drähte biegen und eine Platine bestücken. Ich fange an, mein Husten wird im Laufe des Vormittags immer schlimmer. Später kommen Schwindel und Müdigkeit dazu. Ich bekomme so heftige Symptome wie seit 3 Jahren nicht mehr und breche ab. Ich gehe zum Anleiter, benenne die Situation, melde mich ab und gehe zur Ärztin, um mich in einen anderen Arbeitsbereich umsetzen zu lassen.

Ihre Umwelterkrankung können wir hier nicht beurteilen und wir können unsere Abläufe nicht an Ihre Erkrankung anpassen“, sagt die Ärztin.

Mir bleibt einfach der Mund offen stehen, mir fällt keine spontane Entgegnung ein. Dieser Satz ist so absurd. Wenn man in einer Reha-Maßnahme, die das Ziel hat, die gesundheitlichen Einschränkungen und die Belastbarkeit zu überprüfen, sich nicht auf eine Erkrankung einstellen oder zumindest die damit verbundenen Einschränkungen erkennen und akzeptieren kann, wo denn dann?

„Ich kann über eine Umsetzung in einen anderen Arbeitsbereich auch nicht entscheiden, da müssen Sie zum leitenden Psychologen“, sagt die Ärztin.

 

Der Psychologe hört sich meine Geschichte an, stellt die üblichen Fragen, inwieweit ich psychosomatische Zusammenhänge bei meiner Erkrankung anerkennen würde und so weiter…

Ich möchte jetzt gar nicht die Frage diskutieren, ob meine Erkrankung organisch oder psychosomatisch ist“, sage ich. „Ich kann in dem Raum nicht arbeiten und wir brauchen eine Lösung.“

Ihre Umwelterkrankung können wir nicht beurteilen. Unsere Aufgabe ist es, dass wir aus psychiatrischer Sicht beurteilen, ob Sie leistungsfähig sind oder nicht“, sagt der Psychologe. „Wenn Sie in unseren Räumen nicht arbeiten und die Tests nicht durchführen können, können wir Sie nicht beurteilen.“

Erst einmal hat die Rentenversicherung mich hergeschickt, weil sie glaubt, ich sei psychisch krank. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass ich voll belastbar und leistungsfähig bin, wenn ich nicht mit Tonerstaub konfrontiert werde. Mein Problem ist, dass diese Dinger in meinem Beruf nun einmal überall herumstehen. Ich brauche nur einen Arbeitsplatz ohne diese Geräte. Das wäre schon alles“, sage ich.
Doch vor allem, wenn Sie Ihre Tests nicht durchführen können, weil ich in Ihren Räumen aufgrund der Drucker oder anderer Schadstoffe krank werde, dann zeigt das doch das Problem, oder nicht? Auch wenn Sie meine Umwelterkrankung diagnostisch nicht beurteilen können, so könnten Sie doch anhand der vorliegenden Situation die Auswirkungen und Folgen beurteilen. Genau das, was jetzt hier passiert, passiert doch auch bei allen Arbeitgebern. Können Sie das nicht beurteilen oder als Ergebnis beschreiben?

Nein, können wir nicht. Wir müssen uns an die Vorgaben und Standards unserer Tests halten und können Sie nur daran beurteilen. Alles andere ist nicht unsere Aufgabe.

Ich bin fassungslos, schon wieder einmal. Unfussable…

OK, ich würde ja gerne Ihre Tests absolvieren. Doch dafür braucht es einen anderen Raum, das muss doch möglich sein…

 

Der Psychologe geht mit mir in den ‚Elektro-Bereich‘, um die Situation mit dem Anleiter zu besprechen. Natürlich ist keiner Bereit, das Gespräch außerhalb des Raumes zu führen, ich huste vor mich hin.

Sie könnten Sich an diesen Platz dort setzen“, sagt der Anleiter.

Aber das ist doch nur 3 Meter weiter mit direkter Verbindung. Es geht hier um flüchtige Stoffe in der Atemluft, auf die mein Immunsystem reagiert, die sind 3 Meter weiter auch vorhanden.

Ja, dann weiß ich auch nicht…“, sagt der Anleiter.

Dann geben Sie mir doch die Aufgaben, ich gehe damit in einen Aufenthaltsraum oder auf mein Zimmer.“

Nein, das geht nicht. Sie müssen schon unter Aufsicht sein, damit wir wissen, dass Sie die Aufgaben auch selbst lösen.“

OK, dann muss ich darauf bestehen, den Arbeitsbereich zu wechseln.“

Der Psychologe hat darauf offensichtlich gar keine Lust. Etwas genervt sagt er: „Gut, ich sehe, ob ich woanders einen freien Platz finde. Das wird ein wenig dauern.“

 

Am nächsten Tag hat er noch keine Lösung. Am übernächsten Tag fange ich im „Holz-Bereich“ an. Dort läuft es dann ohne Schadstoffbelastung ausgesprochen gut. Allerdings habe ich so viele Allergene abbekommen, dass ich mir Medikamente aus der Apotheke hole und eine Woche brauche, bis die Symptome abklingen und ich wieder halbwegs fit bin.

2 Gedanken zu “„Wir können unsere Abläufe nicht an Ihre Erkrankung anpassen“

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