Keine neue Chance

Im Januar 2015 trat ich meine neue Stelle an.

„Ne, also heute passt das nicht so gut, wenn Du dazu kommst. Nächsten Monat vielleicht.“

„Da gibt es eigentlich kaum etwas zu zu sagen.“

„Von mir bekommen Sie nichts, solange mein Vorstand mich nicht ausdrücklich anweist, Ihnen die entsprechenden Informationen zu geben.“

Dies waren Sätze, die ich in den ersten Wochen und Monaten bei meiner neuen Aufgabe hörte. Ich war einem Team von Beratern zugeordnet, in dem jeder ein bestimmtes fachliches Thema hatte. Die Kunden dieser Organisation, die häufig Fragen aus unterschiedlichen Fachthemen hatten, bemängelten, dass die Aussagen und Aktivitäten der Berater zum Teil widersprüchlich und nicht abgestimmt waren.
Ich sollte nun die Schnittstellen zwischen den einzelnen Fachgebieten herausarbeiten und Projekte entwickeln, die zeigen, wie die fachübergreifende Zusammenarbeit besser koordiniert werden kann.
Allein die Tatsache, dass eine solche Projektstelle geschaffen wurde, fassten viele Kollegen als Kritik auf. Dementsprechend groß waren die Widerstände. Keine leichte und eine wenig dankbare Aufgabe, zumal die Hintergründe meiner Aufgabe von der Geschäftsführung nicht offen gelegt wurden.

Hinzu kam, dass die Büros und der Flur in der 4. Etage, in dem das Team untergebracht war, komplett mit Laserdruckern und Kopierern bestückt war, so dass ich mich in den Räumen des Teams immer nur kurz aufhalten konnte.
Ich bekam aufgrund meiner Erkrankung ein Büro im Erdgeschoss. Vollkommen tonerstaubfrei, aber eben weit weg vom Team.

Wie soll man Mitglied eines Teams werden, dabei Widerstände überwinden und positiv auf die Zusammenarbeit im Team einwirken, wenn man sich nicht in den Räumen des Teams aufhalten und täglich nebeneinander, Tür an Tür arbeiten kann?

 

Mein Arbeitgeber wollte das ändern und wendete sich an das Integrationsamt. Dieses schickte eine Mitarbeiterin, die die Büros begutachtete und Empfehlungen für eine Anpassung des Arbeitsplatzes gab. Eigentlich ist es ganz einfach, die Geräte müssen weg. Doch das wollte man wiederum nicht.

„Das Integrationsamt könne aber nur Empfehlungen aussprechen“, sagte die Gutachterin. Zuständig für die Umsetzung sei die Rentenversicherung.
Ich stellte einen entsprechenden Antrag über das Sozialgericht (es lief ja noch die Klage gegen die Rentenversicherung). Es gab keine Reaktion, noch nicht einmal eine Ablehnung, einfach nichts.

 

Ein weiteres Problem war die Entfernung zum Arbeitsplatz. Zwischen dieser neuen Stelle und meinem Wohnort lagen 90 Kilometer. Aufgrund ständiger Verspätungen der Deutschen Bahn oder täglicher Staus auf der Autobahn benötigte ich pro Strecke eineinhalb bis zwei Stunden, also 3 bis 4 Stunden Fahrzeit täglich. Bei 8 Stunden Arbeitszeit plus Mittagspause war ich so jeden Tag 12 bis 13 Stunden unterwegs. Und das für einen Rehabilitanden!
Natürlich suchte ich eine neue Wohnung in der anderen Stadt. Wenn ich das Glück hatte einen Besichtigungstermin zu ergattern, war ich oft erst abends um 21:00 oder 22:00 zu Hause und musste am nächsten Tag um 06:00 wieder los.

Der Arbeitgeber bot mir an, meine Arbeitszeit in der Probezeit zu reduzieren, um einen stufenweisen Einstieg zu ermöglichen. Wir beantragten – wieder über das Sozialgericht – einen entsprechenden Zuschuss bei der Rentenversicherung (hierfür sind die sogenannten Arbeitgeberzuschüsse bei Einstellung eines Schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Mitarbeiter ausdrücklich gedacht).
Auch hier keine Antwort, nicht eine Reaktion, weder vom Sozialgericht noch von der Rentenversicherung.

 

Das war nun also meine neue Chance. Morgens um 6:00 los, abends um 19:00 zu Hause, Ankämpfen gegen Widerstände in einem Team, zu dem ich kaum Kontakt aufbauen konnte, weil ich dessen Arbeitsräume nur kurzzeitig betreten konnte. Und das als jemand, der nach längerer Erkrankung (wie bei Personen mit festem Arbeitsplatz üblich) besser in mehreren Stufen in seinen Job zurückkehren sollte.
Auf alle Anträge auf Unterstützung zur Erhaltung dieses Arbeitsplatzes gab es noch nicht einmal eine Antwort, weder von der Rentenversicherung noch vom Sozialgericht.

Im Sommer 2015 war es dann vorbei mit der Chance. Keine Chance!

Danke Rentenversicherung, für die unfassbare Ignoranz und das Unterlaufen jeder Selbstinitiative bei der Rückkehr in den Beruf.

Ein Gedanke zu “Keine neue Chance

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