„Schwarzer-Peter“ verschärft

Hinfallen, wieder aufstehen, Krönchen richten, weitergehen.

Nachdem es nicht für notwendig gehalten wurde, meinen selbst beschafften Arbeitsplatz zu erhalten bzw. meine eigenen Bemühungen, einen neuen, tonerstaubfreien Arbeitsplatz zu unterstützen, änderte ich meinen Antrag gegenüber der Rentenversicherung und dem Sozialgericht nun wieder auf „Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes“.
Es gibt nun mal landauf landab einfach kein Büro ohne Laserdrucker und Kopierer und keinen Arbeitgeber, der von sich aus bereit wäre, dies zu verändern.

Zu Beginn des Jahres 2016 meldete ich mich wieder arbeitssuchend. Erneut bat ich die Arbeitsagentur in Vorleistung zu gehen und mir eine Unterstützung bei der Arbeitssuche durch den Integrationsfachdienst zu gewähren.
Ich bekam einen Vermittlungsgutschein, mit dem ich den Fachdienst „bezahlen“ konnte, allerdings erst einmal nur für zwei Monate.

Guten Mutes legten wir los, der Jobcoach und ich. Es ließ sich gut an. Er meinte, dass wir innerhalb eines halben Jahres bestimmt etwas gefunden hätten. Am Ende des zweiten Monats seiner Begleitung standen erste Bewerbungen und Gespräche an und die Verlängerung des Gutscheins durch die Arbeitsagentur.

Diese lehnte jedoch ab. Der Gutschein sei irrtümlich ausgestellt worden. Eigentlich sei ja die Rentenversicherung zuständig und nach § 22 SGB III dürfe die Arbeitsagentur nicht tätig werden, so leid es ihr tue. Natürlich, die Begleitung durch den Jobcoach wäre genau das Richtige für mich, aber ihr seien die Hände gebunden, sagte meine Sachbearbeiterin.
Ein laufendes Bewerbungsverfahren in Begleitung des Jobcoaches wurde abgebrochen!

Aber was ist mit der Vorleistungspflicht nach § 23 SGB III, denke ich und lege Widerspruch ein.
Die gelte nicht, sagt die Arbeitsagentur.
Jetzt reicht’s, denke ich, lege Klage ein und stelle einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht.
Ich führe die Verfahren übrigens allein. Vor dem Sozialgericht geht das. Einen Anwalt kann ich nicht bezahlen.

Das Sozialgericht ist genervt. ‚Der schon wieder‘ scheint sich der Richter zu denken, ‚der hat ja auch schon gegen die Rentenversicherung geklagt, zwischendurch Anträge gestellt. Jetzt will er ein Eilverfahren. Na gut, dann müssen wir wohl mal einen Termin festsetzen.‘
„Zwei solcher Verfahren seien ungewöhnlich“, sagt der Richter später und meint eigentlich ‚nervig‘.

Er setzt einen Termin im Eilverfahren gegen die Arbeitsagentur fest und lädt die Rentenversicherung hinzu.
Das Verfahren gegen die Rentenversicherung ist nun schon fast 2 Jahre anhängig, ohne dass es hier bisher einen Termin gegeben hatte. Das ist die übliche Verfahrensdauer.

„Was wollen Sie eigentlich?“ fragt der Richter bei der Eröffnung des Termins. Ich dachte, dass sei klar. Ich habe bestimmt drei- oder viermal im Laufe der letzten Jahre die gleichen, konkreten Unterstützungsleistungen beantragt.
Die Unterstützung wurde ja auch begonnen und dann abgebrochen. Also möchte ich natürlich deren Fortsetzung.
„Mir ist nach wie vor nicht klar, was Sie eigentlich wollen“, sagt der Richter und: „Durch Kooperation haben Sie Sich ja auch gerade nicht ausgezeichnet.“ Juristisch höfliche Umschreibungen für ‚Sie gehen mir auf den Keks‘.

Zur Vertreterin der Arbeitsagentur sagt der Richter: Das SGB III würde hier gar nicht gelten, sondern § 14 SGB IX. Er fragt sie, warum die Arbeitsagentur nicht weitergeleitet hätte. Sie sagt, weil ja schon ein Verfahren gegen die Rentenversicherung anhängig gewesen sei. Der Richter gibt sich damit zufrieden. Ich kenne den § 14 SGB IX nicht und denke, wenn der Richter dies akzeptiert, muss die Arbeitsagentur die Begleitung durch den Jobcoach wohl doch nicht fortführen.

Um nun beide Verfahren und diesen total anstrengenden Kläger loszuwerden, hat der Richter sich einen Coup ausgedacht:

  1. Die Rentenversicherung solle sich um den Fall kümmern und mir Unterstützung anbieten.Allerdings sagte die Rentenversicherung, es müsse erst eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durchgeführt werden, bevor sie darüber entscheiden könne, ob man mir einen Jobcoach bewilligt (was eine Leistung der beruflichen Rehabilitation wäre).
  2. Ich solle auf meine Ansprüche gegenüber der Arbeitsagentur verzichten und den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückziehen.

„Dies sei die beste Lösung“, sagt der Richter. Mir wurde ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass es mir als mangelnde Mitwirkung ausgelegt werden würde, wenn ich dem nicht zustimme. Dann würde man mir jegliche Leistung versagen.
Ich hatte also keine Wahl, oder? Zumindest sah ich keine.

Doch eine Lösung war dies leider nicht. Der Coup des Sozialrichters brachte alles andere als rechtliche Sicherheit.

Es gibt nach wie vor keine Entscheidung darüber, ob ich nun Unterstützung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz bekomme und ob meine Einstellung gefördert werden könnte, wenn ein Arbeitgeber mich einstellen würde.
Die Rentenversicherung lehnt dies weiterhin ab und will mich stattdessen für 6 Wochen in eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation schicken.

Das Problem dabei: Die Rentenversicherung erkennt die immunologische Unverträglichkeit auf Tonerstaub weiterhin nicht an und hält mich für psychisch krank. Man schickt mich in eine psychiatrische Einrichtung.
Wenn ich dies verweigere, wird mein Antrag auf Leistungen zur Unterstützung bei der Arbeitssuche abgelehnt.
Und – was ich erst später erfahre – die Wartezeit auf den Beginn dieser Maßnahme beträgt 8 Monate! Ich hänge also 8 Monate in der Luft.

Später erfahre ich auch, was in dem § 14 SGB IX steht, den das Sozialgericht gegenüber der Arbeitsagentur erwähnt hatte.
Dem Sozialgericht ist in seinem Vergleichsvorschlag ein kleiner Fehler unterlaufen. Es hat lediglich den Antrag auf einstweilige Anordnung gegenüber der Arbeitsagentur in den Vergleich aufgenommen und die parallele Klage im sogenannten Hauptsacheverfahren vergessen.
Als der Arbeitsagentur dies später auffiel, wurde ich schriftlich vom Sozialgericht aufgefordert, meine Klage zurückzuziehen und auch in diesem Verfahren auf meine Ansprüche gegenüber der Arbeitsagentur zu verzichten. Ich wurde stutzig und hatte nun erst Zeit und Gelegenheit, die rechtlichen Hintergründe des § 14 SGB IX recherchieren.

Wenn ein eigentlich nicht zuständiger Leistungsträger eine Unterstützungsleistung bewilligt hat, begründet er damit eine eigene Zuständigkeit, auch wenn die Bewilligung irrtümlich erfolgte.
Das heißt, die Arbeitsagentur durfte die Fortsetzung der bewilligten Maßnahme nicht mit der Begründung ablehnen, dass dies irrtümlich erfolgt sei und sie eigentlich nicht zuständig sei. Sie ist also verpflichtet, die von mir beantragte und benötigte Maßnahme fortzusetzen.

Mir wurde dadurch klar, dass das Sozialgericht mich dazu gedrängt hat, auf einen berechtigten Anspruch zu verzichten, ohne dass mir das bewusst war, ohne dass ich wusste oder darüber aufgeklärt wurde, dass ich tatsächlich einen berechtigten Anspruch hatte! Ich fühlte mich um meine Ansprüche betrogen.

Sehr zum Ärger von Arbeitsagentur und Sozialgericht habe ich Beschwerde eingelegt und meine Klage aufrechterhalten.
Dadurch wurde ich nun erst recht als nerviger oder gar querulantischer Kläger eingestuft. Mein Fall wurde erst einmal zur Seite gelegt. Die übliche Dauer, bis in einem Hauptsacheverfahren ein erster Gerichtstermin festgelegt wird, beträgt 2 Jahre. In dieser Angelegenheit hänge ich also 2 Jahre in der Luft!

Anstatt das Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Arbeitsagentur und Rentenversicherung zu beenden, hat das Sozialgericht dem Ganzen die Krone aufgesetzt, indem es beiden erlaubt hat, sich von den Spielregeln zu verabschieden. Schwarzer-Peter verschärft nach eigenen, unbekannten Regeln.

Unfussable!

Ich habe mittlerweile diverse Kommentare und Grundsatzurteile zu dem benannten § 14 SGB IX gelesen. Diese sind so eindeutig, dass das Sozialgericht eigentlich eine Fortsetzung der mit einmal bewilligten Maßnahme hätte verfügen müssen. Ich frage mich bis heute, warum das Gericht mich stattdessen gedrängt hat, darauf zu verzichten. Warum…?

Ein Gedanke zu “„Schwarzer-Peter“ verschärft

  1. Pingback: Die Arbeitsagentur | Unfussable

Hinterlasse einen Kommentar