Da ist sie wieder, die Persönlichkeitsstörung

Januar 2017, die Reha ist zu Ende, das Ergebnis meiner ‚Belastungserprobung‘ liegt vor:

Alle Ergebnisse fallen gut aus“, sagt die Psychologin. „Sie erfassen alle Aufgaben, finden eigene Lösungen, Ihre Schnelligkeit ist durchschnittlich, Ihre Genauigkeit und die Ergebnisse sind überdurchschnittlich, Ausdrucksfähig sehr gut, Kombinationsfähigkeit und logisches Denkvermögen liegen oberhalb des mit unseren Test messbaren Bereichs. Sie sind motiviert, kooperativ, bringen sich ein, also insoweit sehe ich keine Einschränkungen Ihrer Arbeitsfähigkeit und Belastbarkeit.“

OK, das trifft meine Erwartungen. Ich habe ja auch schon vorher gesagt, dass dies die psychische Leistungsfähigkeit nicht mein Problem ist. Ich muss jeden Kontakt mit Emissionen aus Laserdruckern und vergleichbaren Schadstoffen meiden. Dann kann ich meine Arbeit machen.“

Ja aber“, sagt die Psychologin, „Sie haben eine perfektionistische Persönlichkeitsstörung und eine Anpassungsstörung.“

Was meinen Sie damit?“, frage ich.

Sie haben die Vorstellung, dass sie einen Arbeitsplatz benötigen, an dem kein Laserdrucker und Kopierer steht und dann würde es funktionieren.“

Ja, im Prinzip könnte es so einfach sein. Nur ist eben kein Arbeitgeber bereit, dies von sich aus zu tun, ohne dafür entsprechende Beihilfen bekommt, die man mir aber verweigert.“

Nein, so einfach ist es nicht“, sagt die Psychologin. „Das ist eine idealistische Vorstellung. Sie wünschen sich den Arbeitsplatz, der zu 100% auf ihre Bedürfnisse oder Einschränkung zugeschnitten ist, das ist perfektionistisch. Aber den gibt es nicht, nicht in Ihrem Beruf. Sie können nicht erwarten, dass ein Arbeitgeber ihre Einschränkung berücksichtigt. Das wird keiner tun, Inklusion gibt es nicht.“

Ja eben, von sich aus tut das kein Arbeitgeber. Das erfahre ich ja nun seit 5 Jahren. Deshalb brauche ich ja auch Unterstützung bei der Aufnahme einer Arbeit. Ich brauche Hilfe dabei, einen Arbeitgeber zu finden, der dazu bereit wäre mich einzustellen. Und die weit überwiegende Zahl der Arbeitgeber, die bereit sind, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen einzustellen, wünschen sich einen entsprechenden Zuschuss. Deshalb gibt es ja auch Arbeitgeberzuschüsse bei Einstellung schwerbehinderter Menschen.“

Nein, Sie können dies nicht erwarten, Sie werden nicht mehr im Büro arbeiten können. Sie müssten an der frischen Luft arbeiten, zum Beispiel im Gartenbau.“

Aber ich habe gleich drei hochqualifizierte Ausbildungen mit Diplom und allerbeste Arbeitszeugnisse. Ich bin sehr gut in meinem Beruf und er macht mir Spaß. Es muss doch einen Weg geben, meinen Beruf wieder ausüben zu können.“

Sehen Sie, da ist er wieder der Perfektionismus,“ sagt die Psychologin, „Sie wollen ihren perfekten Arbeitsplatz.“

„Es geht mir nicht um einen perfekten Arbeitsplatz, es dürfen aber keine für mich unverträglichen und im Übrigen für alle Menschen giftigen Stoffe in der Raumluft sein.“

„Und daneben haben Sie auch eine Anpassungsstörung. Sie sind nicht in der Lage, sich an die Rahmenbedingungen in einem Büro anzupassen. Sie haben die fixe Idee, dass es nur ohne die Geräte geht und können sich nicht daran anpassen, dass dort nun einmal Laserdrucker und Kopiergeräte sind. Und Sie können sich auch an die geänderten Umstände nicht anpassen und einfach eine andere Tätigkeit ergreifen.“

Aber das ist doch keine fixe Idee von mir. Es ist einfach eine Tatsache, dass ich krank werde, wenn ich Emissionen aus Laserdruckern einatme, schwer krank! Und damit stehe ich nicht alleine da, das geht mehreren tausend anderen Betroffenen auch so. Ich habe auch kein Problem damit, eine andere Tätigkeit auszuüben. Ich habe mich zigmal auf andere, auch einfachere Jobs beworben. Man nimmt mich dort aber nicht, ich sei überqualifiziert! Dabei sage nicht ich, dass ich überqualifiziert bin, das sagen die Arbeitgeber.

Mir fällt nichts mehr dazu ein.

Ich habe eine chronische, nicht heilbare, körperliche Erkrankung. Ich bin aufgrund dessen auch einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und ich soll eine perfektionistische Persönlichkeitsstörung und eine Anpassungsstörung haben, weil ich einen Arbeitsplatz suche, der meiner Qualifikation entspricht und meine Erkrankung berücksichtigt?

Hat ein Rollstuhlfahrer eine perfektionistische Persönlichkeitsstörung oder eine Anpassungsstörung, wenn er eine Rampe oder einen höhenverstellbaren Schreibtisch braucht?
Ist es perfektionistisch, wenn Sie ohne Brille nicht lesen können und daher eine Brille haben möchten?
Hat ein Hörgeschädigter eine Anpassungsstörung, wenn er nun einmal eine Klingel nicht hört und deshalb ein Hörgerät oder ein Lichtsignal benötigt?

Man hat in diesem unserem Rechtsstaat verdammt noch mal ein Recht darauf!
In § 33 SGB IX ist festgehalten, dass Menschen mit einer Behinderung ein Recht auf Unterstützungsleistungen haben, die eine Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer sichern. Bei der Auswahl dieser Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen!
Ich bin für meinen Beruf mehr als geeignet, er liegt mir, er entspricht meinen Neigungen und Fähigkeiten, Arbeitgeber suchen die Qualifikationen, die ich mitbringe. Sie möchten eben nur eine Förderung, wenn sie sich auf meine krankheitsbedingten Bedürfnisse einstellen.
Bin ich psychisch krank, nur weil ich dieses Recht beanspruche?

Aber es ist mir mittlerweile egal, welchen Stempel man mir aufdrückt. Na gut, ganz egal ist es nicht. Ich empfinde es als falsch und ungerecht, es schmerzt, ich bin stinkwütend.
Und ich sage mir dennoch: Scheißegal, solange man mir am Ende Unterstützungen bei der Suche und Aufnahme einer Arbeit bewilligt. Ohne diese habe ich einfach keine Chance.

Und nur am Rande bemerkt, ein besonders geschulter und vernetzter Arbeitsvermittler (der sogenannte Integrationsfachdienst), den ich mir wünsche, würde die Rentenversicherung 300 € im Monat kosten. Ich habe die Zusicherung eines solchen Vermittlers, dass er mich innerhalb von 6 Monaten vermitteln könnte.
Das oben dargestellte Ergebnis der ‚Belastungserprobung‘ hat die Rentenversicherung mindestens 8.000 €, vielleicht auch 10.000 € gekostet. Für dieses Geld hätte man mir den Integrationsfachdienst über 2 Jahre zur Seite stellen können…!!!

2 Gedanken zu “Da ist sie wieder, die Persönlichkeitsstörung

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