Es ist kaum zu erklären…

…wie man sich als hoch qualifizierter Mensch mit einer Schwerbehinderung in einem Vorstellungsgespräch fühlt.

Ich hatte mich schon im Juni des letzten Jahres auf eine Stelle in der Landesverwaltung beworben. Es war eine interne Stellenausschreibung. Als schwerbehinderter Mensch darf ich mich auch hierauf bewerben. Öffentliche Arbeitgeber sind verpflichtet, schwerbehinderte Menschen bei gleicher Eignung bevorzugt einzustellen. Gute Chancen sollte man meinen…

Im Oktober letzten Jahres wurde mir dann mitgeteilt, dass die interne Stellenausschreibung zurückgezogen wurde, weil zu wenige Bewerbungen vorlagen. Die gleiche Stelle wurde nun öffentlich ausgeschrieben und wenn ich weiterhin Interesse hätte, würde man meine Bewerbung in diesem neuen Bewerbungsverfahren berücksichtigen.
Ich gewann den Eindruck, dass ich wenig Chancen hätte. Wenn man Interesse an meiner Bewerbung gehabt hätt, hätte man mich ja zumindest zu einem Gespräch einladen können. Doch ich bat darum, meine Bewerbung zu behalten.

Anfang Januar dieses Jahres erhielt ich einen Brief, dass die Stellenausschreibung zurückgezogen wurde, dass aber eine ähnliche Stelle mit einem etwas anderen Profil ausgeschrieben wurde. Ich wurde ausdrücklich gebeten, mich erneut zu bewerben.
Gut, dachte ich, man hat vielleicht ernsthaftes Interesse…
Das Profil passt wirklich zu 100%, noch besser als die ursprüngliche Stellenausschreibung, ich bringe alles mit, was darin gefordert wurde und ich bewarb mich erneut.

Gestern war nun das Vorstellungsgespräch.

Wie kann ich nur beschreiben, was da in mir vorgeht. Ich hatte schon vor zwei Wochen ein Gespräch mit einer Bekannten, die mir Mut gemacht hat. Ich war sehr nervös, hatte Hoffnung weil ich ausdrücklich aufgefordert wurde, mich zu bewerben. Ich hatte mich intensiv vorbereitet.

Der Einstieg war freundlich und offen. Das Gespräch wendete sich, bereits nach 10 Minuten als ich meine Erwerbsbiografie vorstellte und dann unweigerlich zu dem Bruch in meinem Lebenslauf kam, der durch meine Erkrankung verursacht wurde.

Welche Erkrankung es denn sei, wurde ich gefragt (Muss ich darauf antworten? Ja).
Ich erläuterte die ‚immunologische Unverträglichkeit auf Tonerstaub‘, was das ist, wie sie sich auswirkt und das ich voll einsatzfähig sei, solange ich nicht mit den Emissionen aus Laserdruckern in Kontakt käme.

Es gehöre zur Aufgabe, dass man in andere Verwaltungen fahre, dort Akten prüfe und Kopien anfertige. Büroassistenz gäbe es nicht, ob ich das denn könne?
Nein, natürlich nicht, ich kann nicht selbst kopieren. Ich sagte, dass ich das Problem mit einem mobilen Scanner lösen könnte. Der ermöglicht es, papierlos zu arbeiten, sagte ich. Ich arbeite damit, wenn ich in Bibliotheken Fachartikel recherchiere.
Man hätte dies zwar schon mal überlegt, hielte es aber für unpraktisch und zu langsam. (Stimmt m.E. nicht, ist sogar schneller…, ich sagte dazu aber nichts.)

Wurde ich nun unsicher? Bildete ich es mir nur ein, was dann passierte?

Plötzlich veränderte sich die Haltung der Fragen, die mir gestellt wurden. Aus offenen Fragen wurden geschlossene Fragen. Aus „Wie würden sie…?“ oder „Welche Erfahrungen haben Sie mit…?“ wurde „Können Sie Sich eigentlich vorstellen…“, „Haben Sie schon einmal von … gehört?“, „Sagen Ihnen die Begriffe … etwas?“, „Sie müssten viele Dienstreisen wahrnehmen, wäre das überhaupt möglich…?“.
Der Chef zog sich ganz aus dem Gespräch zurück, spielte mit seiner Krawatte, sah an die Wand oder die Decke und überließ das weitere Gespräch seinen Mitarbeitern. Sein Urteil war gefallen. Aus einer offenen wurde eine geschlossene Haltung.

Es fühlt sich so mies an, zu merken, dass es von diesem Zeitpunkt an egal ist, was ich sage. Zu merken, dass ich von einem Moment auf den anderen keine Chance mehr habe. Dass das, was ich kann plötzlich nicht mehr zählt. Ich habe ja fachlich und persönlich nichts Falsches gesagt, ich habe gesagt, dass ich eine chronische Krankheit habe. Plötzlich stehen die Schwächen im Vordergrund und nicht mehr die Fähigkeiten und Stärken.
Gute Miene machen, freundlich sein, mit heiler Haut aus dem Gespräch herauskommen sind jetzt die Prioritäten.
Ich vermag es kaum zu erklären, wie sich das anfühlt. Verletzend, ja sogar demütigend,…
einfach scheiße, es fühlt sich so richtig scheiße an und lässt mich verzweifelt zurück.

Ich wünsche mir einen Coach, der mich in solchen Situationen unterstützt. Es gibt genau hierauf spezialisierte Berater. Doch eine solche Begleitung wären sogenannte ‚Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes‘, die mir von Rentenversicherung, Arbeitsagentur und Jobcenter nach wie vor verweigert werden.

2 Gedanken zu “Es ist kaum zu erklären…

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