„Warum sind Sie hier?“

…, fragte mich der Oberarzt im Aufnahmegespräch. Er saß in seinem Stuhl lässig zurückgelehnt, hatte einen starken polnischen Akzent und rrrollte das RRR wie ein Donnerhall.

„Ich habe eine Umwelterkrankung und…“ sagte ich. Weiter kam ich nicht.

Waarrrum sind Sie hier?“ unterbrach mich der Oberarzt und sah mich eindringlich an.

„Ich habe eine Unverträglichkeit gegen To…“

Er wippte in seinem Stuhl rasch nach vorn, sprang fast auf mich zu, fixierte mich und fragte zum dritten Mal und jetzt laut.

„Waaarrrrum sind Sie hier?“

„Ich habe eine immunolo…“

„Waaaarrrrrum sind Sie hier?!“

Ich sah ihn nur noch an. Plötzlich schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch, reichte mir die Hand gleich darauf zur Verabschiedung und sagte „Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Reha.“

Dezember 2013, die Rentenversicherung hatte mich in eine psychosomatische Klinik geschickt. Man hielt mich für psychisch krank.
Es war eine absolut furchtbare Zeit. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch recht naiv im Umgang mit den Psychologen. Ich nahm an, dass man mit mir Lösungen suchen möchte, war kooperative, versuchte Fragen offen zu beantworten und erkannte die Mehrdeutigkeit und Fallstricke in diesen Fragen nicht.

Man hat unter anderem meine Belastbarkeit in Arbeitssituationen an einem Büroarbeitsplatz getestet. Dieser Arbeitsraum war der einzige Raum in der Klinik, in dem ich mich länger aufhalten musste und der stark mit Tonerstaub belastet war.
Ich wies bereits beim Betreten des Raumes darauf hin. Es wurde nicht beachtet. Als sich nach ca. 1 Stunde Reizhusten und tränende Augen als erste Symptome einstellten, bat ich darum, das Fenster zu öffnen. Der Testerin war es zu kalt und sie schloss es kurz darauf wieder. Nach ca. 2 oder 3 Stunden wurde mir schwindlig und ich wurde unkonzentriert. Meine bis dahin überdurchschnittlichen Ergebnisse in den Kombinations- und Konzentrationstest wurden plötzlich schlechter. Ich wies darauf hin, dass dies mit den Emissionen aus dem Drucker zusammenhänge.
Im Ergebnisbericht stand später: Trotz Konfrontation mit Tonerstaub hätte ich keine Symptome gezeigt. Das Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit wurde auf Umgebungsgeräusche zurückgeführt, woraus die Empfehlung abgeleitet wurde, dass ich einen ruhigen Arbeitsplatz bräuchte. Wie bitte…?

Man nahm mich in keiner Weise ernst. Alle umweltmedizinischen Befunde, Studien über die Giftigkeit von Tonerstaub und Fachliteratur die ich vorlegte, wurden vom Tisch gefegt. Man hat sie noch nicht einmal ansatzweise gewürdigt und kam zu dem völlig hahnebüchenen Ergebnis, dass ich die Unverträglichkeit auf Tonerstaub in Folge eines unerfüllten Wunsches nach Partnerschaft und Familie entwickelt hätte.
Ich fragte mich, was meine Freundin wohl dazu sagte.
Komisch, dass im Befundbericht unter ‚Lebenssituation‘ stand, dass ich in einer Partnerschaft lebte. Ist aber niemandem aufgefallen, auch später nicht…

Man unterstellte mir weiterhin eine mangelnde Einsichtsfähigkeit in meine psychische Erkrankung und ich wurde arbeitsunfähig entlassen.

Unfussable!

Ich frage mich, wer hier mangelnde Einsichtsfähigkeit hatte. Ich habe so etwas gruseliges und furchtbares noch nicht erlebt. Wie kann man sich gegenüber einem Menschen nur so dermaßen anmaßen verhalten, seine Aussagen derart verdrehen oder vom Tisch wischen. Empathie war in dieser Klinik ein Fremdwort.  Und das wollen Ärzte und Psychologen sein.

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